Mammut-Stosszahn in der Kiesgrube gefunden. Durch äusserst glückliche Umstände wurde der Zahn nur geringfügig verletzt. Seit Ende September ist die Kantonsarchäologie Luzern dabei den bemerkenswerten gut erhaltenen Mammut-Stosszahn freizulegen und zu bergen.
Der etwa 180 cm lange Stosszahn aus Elfenbein wurde vor etwa 45’000 Jahren unter einer 20 m mächtigen Kiesschicht abgelagert. Das Mammut lebte somit in der Zeit, als das Gebiet der heutigen Schweiz von den Neandertalern bewohnt war.
Dieser wichtige und seltene Fund gibt Auskunft über Zeitstellung und Verbreitung des eiszeitlichen Mammuts. Es gibt bereits einige wenige Funde von Mammutknochen aus dem Kanton Luzern. Der neue Fund erlaubt aber der Wissenschaft erstmals in unserem Gebiet die Zeitstellung der Mammuts näher zu untersuchen.
Mammut-Stosszahn, wie er am 15.09.2006 gefunden wurde.
Grössenvergleich: CAT 980 G (Pneulader) und Mammut-Stosszahn
(15.09.2006)
Archäologische und somit auch paläontologische Funde von wissenschaftlichem Wert sind Eigentum des Kantons. Die Kantonsarchäologie ist mit der fachgerechten Bergung, der Konservierung und Aufbewahrung der Fundgegenstände betraut. Der Fund wurde daher der Kantonsarchäologie gemeldet. Der stv. Kantonsarchäologe Ebbe Nielsen hat die Ausgrabung organisiert.
Als erstes musste die Fundstelle vor Steinschlag gesichert werden. Ein alter Stahlbock, der zur Grobabsiebung von Wandschotter benötigt wurde, wurde als Absicherung der Grabungsstelle über den Stosszahn gelegt.
Grabungstechniker Niklaus Schärer begann unverzüglich mit der Freilegung. Schicht für Schicht wurde abgetragen. Nachdem der Stosszahn freigelegt war, wurde er vermessen und fotografiert.
Der Mammut-Stosszahn wurde bis zur Bergung am 16. Oktober 2006 mit Sand überdeckt, so dass er seine seit 45’000 Jahr enthaltene Feuchtigkeit nicht verlor. Stück um Stück wird der Stosszahn eingegipst und für den Transport bereit gemacht.Obwohl der Fund vergleichsweise gut erhalten ist, ist eine sofortige Konservierung unabdingbar. Ohne solche Massnahmen würde der Stosszahn rasch massive Schäden aufweisen.
Am 4. Oktober 2006 publizierte der stv. Kantonsarchäologe Ebbe Nielsen über die Staatskanzlei Luzern, Abteilung Informationsdienst, eine Medienmitteilung. Wenige Minuten nach Erscheinen der Mitteilung auf der entsprechenden Internetseite der Staatskanzlei veröffentlichte es die Schweizerische Depeschenagentur. Somit war die Medienmitteilung für alle einsehbar, die Pressekonferenz war auf den 9. Oktober 2006 vereinbart. Trotz Bitte, die Öffentlichkeit nicht vor dem 10. Oktober 2006 zu informieren, machte der Fund des Mammut-Stosszahnes die Runde durch alle Redaktionsstuben. Die Lokalradios und das Radio DRS haben den Fund wenige Minuten nach Erscheinen der Mitteilung auf der Schweizerischen Depeschenagentur der Öffentlichkeit kommuniziert. Und dann ging’s los.
– Glückstreffer: Arbeiter stösst auf Mammutzahn. Neue Luzerner Zeitung, 5.10.2006.Die offizielle Pressekonferenz fand am 9. Oktober 2006 statt. Der Presse sollte ermöglicht werden, den Mammutzahn zu fotografieren und filmen. Vorallem der Finder Edgar Wirz stand im Rampenlicht.
Nach der Pressekonferenz wurden Artikel in verschiedenen Schweizer Zeitungen publiziert, Fernseh- und Radiobeiträge ausgestrahlt.
Folgend einige Zeitungsberichte:
– Trax-Edi und sein steiler Zahn. Blick, 10.10.2006
– Jetzt nennen sie ihn „Mammut-Edgar“. Neue Luzerner Zeitung, 10.10.2006
– Wohin mit dem Mammutzahn? Neue Luzerner Zeitung, 12.10.2006
– Über 1500 wollten ihn sehen. Neue Luzerner Zeitung, 16.10.2006
– Das waren verrückte Wochen. Neue Luzerner Zeitung, 19.10.2006
– Mammutzahn geht auf Reisen. Neue Luzerner Zeitung, 21.10.2006
– „Ich dachte, es sei eine Birke“. Seetaler Bote, 12.10.2006
– „Ein Anfänger hätte das Ding vielleicht übersehen“. Beobachter 24/06
Am 14. Oktober 2006 konnte der Mammut-Stosszahn von 10.00 bis 15.00 besichtigt werden. Das Interessen der Bevölkerung war enorm. Ca. 2000 Personen wollten den freigelegten Zahn sehen. Die Rahmenausstellung illustrierte Verschiedenes über das Mammut und die Zeit, in der das Mammut lebte.
Der Stosszahn wurde am 4.12.2006 in die Paläowerkstatt in Goch (Deutschland) gebracht. “ Er ist ein besonders schöner und weisser Zahn“, sagt Susanne Henssen, Geschäftsführerin der Paläowerkstatt in Goch, nahe der holländischen Grenze. Weil der Zahn mit seinen rund 45’000 Jahren relativ jung ist, ist er nicht versteinert. Der Zahn muss mit einer weichen Bürste bearbeitet werden. Der Zahn wird mindestens ein Jahr in der Paläowerstatt bleiben. „Die Konservierung braucht viel Zeit, Eile ist hier fehl am Platz“, so Susanne Hennssen. Wenn die Präparatorin nicht gerade am Fundstück arbeitet, liegt er in einer beheizten Wanne mit flüssigem Wachs. „Dieses ersetzt das Wasser im Zahn und stabilisiert ihn.“ Nicht auszuschliessen sei, dass der Zahn zu einem späteren Zeitpunkt wieder nachbearbeitet werden müsse.
Links:
Paläowerstatt in Goch
Die wissenschaftliche Auswertung des Mammut-Stosszahnes wird durch die Kantonsarchäologie vorangetrieben.
Die Tatsache, dass das Gebiet der heutigen Schweiz zur Zeit des Ballwil-Mammuts von den Neandertalern bewohnt war, zeigt die zeitliche Dimension. Ob das hier gefundene Mammut erlegt wurde lässt sich aber nicht feststellen, ist aber eher unwahrscheinlich.
Mammut-Funde kommen immer wieder vor. Aus dem Kanton Luzern kennen wir etwa 6 bis 7 Funde. Die erste Fundmeldung liegt sogar aus dem Jahr 1577 vor. Der Fund eines Mammut-Schulterblattes gab damals Anlass zu Spekulationen über das Vorkommen von Riesen („der Riese von Reiden“). In Niederwenigen (Kanton Zürich) wurden vor einigen Jahren gar ganze Skelette gefunden.
Die Mammuts waren an die Kälte angepasste Tiere und sind ein eigentliches Symbol für die Eiszeit. Die Schulterhöhe betrug etwa 3 bis 3.5 m und das Gewicht 4 bis 5 Tonnen. In Zentraleuropa starb das Mammut wahrscheinlich vor etwa 17’000 Jahren aus. In Nordeuropa und Sibirien lebten sie aber einige Jahrtausende länger. Die jüngsten Funde von einer sibirischen Insel belegen eine weniger als 2 m grosse Zwergform des Mammuts, die vor etwa 4000 Jahren ausgestorben ist.
Knochenfunde haben für die Wissenschaft einen hohen Wert und tragen massgeblich zu unserem Wissen über die Umweltgeschichte und die Verbreitung und Zeitstellung der verschiedenen Tierarten bei.
Datierung
Da für die Datierung des Stosszahnes Methoden aus den geologischen Wissenschaften herangezogen werden, entnahm Dr. Christian Schlüchter, Professor für Quartär- und Umweltgeologie der Uni Bern, Sandproben. Die Zeitstellung der Sandablagerung und somit das Alter des Stosszahnes wird mit dem Thermolumineszenzverfahren näher untersucht.
Die Lumineszenzdatierung zählt zu den dosimetrischen Datierungsmethoden und beruht auf der zeitabhängigen Akkumulation von Strahlenschäden in Mineralen. Die im Kristallgitter der Minerale erzeugten Strahlenschäden sind auf die ionisierende Wirkung der überall in der Natur vorkommenden radioaktiven Strahlung und in geringerem Umfang auch auf die kosmische Strahlung zurückzuführen. Die Anzahl der Strahlenschäden ist ein Maß für die aus der ionisierenden Strahlung absorbierten Energie, die bei geeigneter Stimulation in Form von Photonen freigesetzt werden kann. Diese Lichtemission wird als Lumineszenz bezeichnet. Da die Intensität des Lumineszenzsignals ein Maß für die im Mineral akkumulierte Energie (Dosis) darstellt, kann über die Dosisleistung , d.h. die Energie, die pro Zeiteinheit das Mineral aufgrund der ionisierenden Strahlung absorbiert, das Lumineszenzalter berechnet werden.
Die Kantonsarchäologie Luzern zeigt auf Schloss Heidegg eine Sonderausstellung zur Archäologie des Seetals. Die Zeitreise führt die Besuchenden von den ersten Spuren des Menschen bis in die Neuzeit. Als besonderer Höhepunkt wird ab dem 8. Juni der berühmte, frisch restaurierte Mammutzahn von Ballwil gezeigt.
Kantonsarchäologie Luzern www.da.lu.ch
Paläowerkstatt in Goch (D) www.palaeowerkstatt.de
Mammut Museum Niederwenigen www.mammutmuseum.ch
Naturmuseum Luzern www.naturmuseum.ch
Gletschergarten Luzern www.gletschergarten.ch